Rally Schweden: Von fliegenden Autos und schneeschmelzenden Lagerfeuern
Dieses Wochenende war es endlich soweit und die lange Zeit des Wartens hat sich gelohnt. Endlich konnten wir DIE Wintersportaktion im schwedischen Värmland hautnah erleben und ein wenig in das Gefühl des Rallye-Zirkus eintauchen.
Ich kann nur sagen, die Rally Sweden ist definitiv eine Veranstaltung für große und kleine Besucher. Die am letzten Wochenende vorherrschenden winterliche Bedingungen, mit Temperaturen um die 0 Grad, Sonnenschein und vor allem die tolle, sportnahe Atmossphäre - einfach ein unbeschreibliches Gefühl. Das Motto der WRC: Motorsport - Zuschauernah - CLOSER TO RALLY - sie haben es meiner Meinung nach wirklich eingehalten im schwedischen Värmland.
Wer von euch keinen Einblick ins Renngeschehen hatte und den Auszügen auf Sport1 folgen konnte - hier kommen ein paar Fakten für euch:
Die Rallye selbst ist für die Fahrer keine leichte Übung. Sie ist die einzige Rallye-Wertung auf Schnee und Eis. Die WRC beginnt für die Teilnehmer vier Tage lang früh um 7:00 mit den ersten Wertungsprüfungen und endet häufig erst kurz vor Sonnenuntergang (gegen 17:45) mit den Interviews im Servicepark Hagfors - auf dem eigentlichen Rollfeld und Hangar des nationalen Flughafens Hagfors. Die Veranstalter sowie die großen teilnehmenden Automobilhersteller wie VW, Hyndai und Citroen bauen dort eine beeindruckende Servicelandschaft auf, bei denen die Zuschauer bis auf 2 bis 3 Meter an die Werkstätten heran und hineingehen können. Die Interviews werden wirklich sehr nah, man könnte sagen in vorderster Reihe, durchgeführt. Theoretisch könnte man die Fahrer sogar "anfassen", wenn sie für die Reporter aus Ihren Fahrzeugen steigen und deren Fragen beantworten.
Neben der eben dem eben vorgestellten Servicepark Hagfors, gibt es weitere sehr interessante Standorte der Rally Sweden. Zu nennen wären da auf jeden Fall:
Hagfors Arena:
Die Hagfors Arena ist ein gut zugänglicher Ort mit vier Tribünen, die den Zuschauern einen guten Blick auf den anspruchsvollen Kurs gewährleisten. Die Fahrer müssen durch 17 Kurven und enge Durchgänge den 1,9 km langen Kurs über eine eisbedeckte Fahrbahn meistern. Nicht selten sehen die Zuschauer hier einen touchieren der Schneebänke - auch die Fotografen müssen sich hier sehr in Acht nehmen. Mehre Male werden diese "Bildjäger" von den Fahrern mit "Schneeregen" übersschüttet - immer von einem Gelächter der Zuschauer begleitet. Die Hagfors Sprint Wertungspunkte - die meistens zwei Mal pro Rallye durchfahren werden müssen und für deren Absolvierung die Fahrer in ca. 2 min benötigen, dauert bei 24 teilnehmenden Fahrern so ungefähr 1 Stunde.
Karlstad Arena:
Hier wird in einem Trabrennstadion eine ca. 2 km langer Kurs gefahren. Technisch für die Fahrer sehr anspruchsvoll und eine echte Challenge, da immer 2 Fahrer auf getrennten Spuren gegeneinander antreten. Natürlich ist die Zeit der entscheidene Faktor. Dieser Event ist ebenfalls sehr zuschauernah und unglaublich spannend.
Colins Crest:
Mitten in den värmländischen Wäldern liegt dieser fast schon legendäre Hügel, den die Rally Sweden als Flugcontest ausgeschrieben hat. Der Flug-Rekord, den Thierry Neuville in seinem Hyndai diesen Februar 2015 aufgestellt hat, liegt bei 44 Metern. Die unbeschreibliche Stimmung, das hier vorherrschende Flair kann man wohl nur glauben, wenn man die Atmosphäre am Colins Crest selbst miterlebt hat.
Der Anfang ist eigentlich schon typisch schwedisch - man fährt fast einsam auf einer schwedischen Landstraße, biegt um eine Kurve mitten im Wald und plötzlich sind Parkplätze ausgeschildert. Ok, das könnte natürlich im ersten Moment auch ein Elchpark sein... Wenn man dann aber die Mengen an Fahrzeugen sieht und vor allem die Anzahl an ausländischen Nummernschildern - dann wird einem schnell klar: Hier ist etwas besonderes los. Unmittelbar vom Parkplatz aus, kann man sich auf Quads mit Anhängern setzen, die einen für einen kleinen Obolus direkt an die Strecke bringen - für jedes Kind schon das erstes Erlebnis.
Wer keine Lust hat, sich der bequemeren Variante auf dem Quad-Anhänger durch die Umgebung kutschieren zu lassen, der kann natürlich selbst zum Colins Crest stiefeln. Und STIEFELN ist eine nette Umschreibung für die kleine Wanderung von ca. 300 m Luftlinie durch richtigen Tiefschnee und ansteigendes Gelände. Nicht zu vergessen die für skandinavische Verhältnisse ungewohnten Menschenmassen - bestehend aus an Lagerfeuern sitzenden Schweden, Polen, Esten, Finnen und Norwegern, die alle gut versorgt mit warmen Getränken und Alkohol an der Strecke sowie verstreut im Wald sitzen. Jeder Normalbürger, der nun an Formel 1 "Saufgelage" denkt, irrt allerdings - alles typisch skandinavisch: ruhig, zurückhaltend und friedlich.
Daher selbst mit Kindern und Kleinkindern zu empfehlen - einzige der Ohrenschutz sollte nicht vergessen werden. Denn die Lautstärke eines 200 km/h schnellen Rallyefahrzeugs in Kombination mit einem tieffliegenden Hubschrauber (für die Videoübertragung) ist einfach nicht zu unterschätzen und doch recht laut. Für diejenigen, die einen eher schlechteren Platz nur ergattern konnten, wurde eine große Videoleinwand aufgestellt. Wie in vermutlich jedem Motorsport-Event vertreten gibt es diverse Ausstellungstände der Automobilhersteller, eine VIP Tribune und Essenstände. Wobei ich festgestellt habe, dass die meisten Zuschauer ihr eigenes Kochfeuer unterhalten haben und dort gegrillt bzw. sich aufgewärmt haben.
Mein Fazit für den ersten Besuch der Veranstaltung Rallye Schweden fällt mehr als positiv aus. Es ist auch für nicht Rallyefans ein MUST-Event, da hier mehr als nur klassischer Motorsport vermittelt wird. Für Kinder ein echtes Highlight von dem sie noch lang erzählen!
Und für die Sportlichen unter uns...
Sieger der Rally Sweden 2015: Sebastien Ogier (FRA) mit seinem Befahrer Julien Ingrassia (FRA). Denkbar knapper Vorsprung von 6,4 Sekungen (bei einer Gesamtzeit 2:55:30), der auf der letzten Wertungsprüfung herausgefahren wurden. Der vorher führende Norweger Andreas Mikkelsen leistete sich leider einen Fahrfehler und landetete in einer Schneebank... Ogier erfuhr von seinem Sieg während seines Interviews.
So nah kann Freude und Schmerz beisammen liegen.
...und man auch anders zur Rallye kommen.