Dornröschenschlaf - Im Wald der vergessenen Autos
Ich liebe die alten Autos, die es hier in Schweden noch gibt und die an schönen Tagen in der Frühlings- bis Herbstzeit fast an jeder Ecke zu sehen sind. Denn dann werden die kleinen Autoschätze aus ihren gut behüteten Überwinterungsquartieren geholt und auf Hochglanz poliert, um allen in der Stadt oder im Dorf ihre Schönheit zu zeigen. Wenn man viele dieser Auto-Schätze auf einem Haufen sehen und einen kleinen Schnack mit den dazugehörigen Besitzern halten möchte, dann muss man nur zu einer der vielen Auto- und Sammlerbörsen in Schweden fahren.
Auf einer dieser erfuhr ich erstmals von dem versteckten Autofriedhof, den es Värmland geben sollte? Als Bloggerin und für jeden Geheimtipp dankbare "Entdeckerin" war mein Interesse natürlich sofort geweckt. Doch es war gar nicht so einfach, dazu Informationen und vor allem den Standort herauszufinden. Dies war am Ende des Sommers. Was einen hier in Schweden manchmal vor ungeahnte Probleme stellen kann, denn die meisten öffentlichen Stellen haben nur Öffnungs- bzw. Besuchszeiten von Mai bis Ende August.
Doch als ich endlich am Ziel meiner Recherchen war und merkte, dass gar nicht so weit entfernt von meinem Standort lag sowie das dieser Ort für jeden jederzeit zugänglich ist - konnte mich natürlich nichts mehr halten und der nächste Tagesausflug mit der Familie war fertig geplant.
Gesagt, getan - und der Ausflug zum Autofriedhof in Töcksfors konnte beginnen. Töcksfors gehört zur Gemeinde Årjäng und liegt an der Grenze zu Norwegen. Er ist für einen Touristen eigentlich kein nennenswerter Ort mit besonderen Sehenswürdigkeiten oder herausragenden Ausflugszielen - mal abgesehen von dem hier ganz in der Nähe liegenden Autofriedhof, der auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Töcksfors hat für den Naturliebhaber einiges zu bieten und sonst eine Kirche sowie ein größeres Einkaufszentrum, dass einige Norweger anlockt, jedoch nicht mit Charlottenberg zu vergleichen ist. Doch zurück zum Autofriedhof.
Als wir in Töcksfors angekommen waren, war es gar nicht so leicht, den eigentlichen Ort mit den Autos zu finden und wir fuhren ein paar mal kurz nach Norwegen und zurück, um zu merken, dass wir auf der falschen Route waren - bis wir endlich am Ziel unserer Träume waren. Denn nachdem man innerhalb von 20 min viermal ohne nennenswertes Resultat die norwegische Grenze hin und zurück passiert hat, fragt man sich schon, ob die Aussagen und Recherchen im Netz gestimmt hatten. Denn irgendwie gab es keinen Waldweg, so wie auf den Notizen von mir stand. Komisch. Und die Stimmung im Auto sinkt nach solchen grenzüberschreitenden Erfahrungen auch Zunehmens im Auto, wenn doch Bloggerin im Hause nach einer zweistündigen Anreise ein tolles Ausflugsziel versprochen hat, doch weit und breit auch nicht annähernd etwas zu sehen ist - außer einer Grenzpassage oder irgendwelchen schwedischen Häusern oder Wald. Doch dann letzter Versuch - entnervte Kinder, ein mittlerweile zweifelnder Fahrer und eine verzweifelte Bloggerin später - werden 30 min auf einem typisch schwedischen Schotterweg so richtig durchgeschüttelt und fragen sich, ob wir jemals hier wieder zurückkommen werden. Links und rechts tiefe Straßengräben. Keine Ausweichmöglichkeiten. Eigentlich Platz nur für ein Auto auf der Straße und wir mit unserem großen Van muten etwas zu groß an für diese Straße. Hoffen, dass kein Auto entgegen kommt - oder im schlimmsten Fall ein Holzlaster.
Doch ein letzter Funken Hoffnung besteht noch, dass dies der richtige Weg ist. Schließlich führt durch einen Wald - wenn auch ohne Autos. Motivation hochhalten. Keine Familienkrise hervorrufen. Die Neugierde ein letztes Mal wecken. Wer sieht das erste Auto? Und dann? Das erste Auto - ein alter Lastwagen - taucht mitten im Wald auf. Einfach abgestellt. Schon teilweise von der Natur wieder in Beschlag genommen. Dann das zweite Auto. Daneben noch eines. Die Stimmung im Auto steigt schlagartig. Wir fahren weiter. Eine Einbuchtung. Hier parken wir. Alles ausgestiegen. Ab in den Wald. Kamera mit. Noch eines und noch eines - und mitten im Wald. Lange Reihen einfach aufeinander gestellter Autos - teilweise vier Stück oder mehr. Kaum in Worte zu fassen. Ein bizarrer Anblick. Welche Schätze hier liegen, die das Verfallsdatum schon längst überschritten haben. Teilweise mit Moos überdeckt oder mit Bäumen als neue Bewohner. Man kan sich verlaufen in den unzähligen Gängen. Da ein altes Haus, das vermutlich mal die Werkstatt war. Hier ein alter Schulbus. Mercedes. Volvo Duett. Ein alte Zeitung von 1970 - alles noch lesbar. Ein Cadillac. Ein Traktor. Ein Lieferwagen aus Arvika. Ein Ford. Und, und, und. Dann taucht auf einmal ganz unvermutet ein ebenso begeisterter Autofreak zwischen den Autoreihen auf. Ein kurzer Small-Talk - auch hier merkbar. Diese umbeschreibbare Faszination, die dieser Ort auf uns Menschen ausübt. Dort eine Feder als Schmuck für einen Baum. Alte Nummernschilder mit aus Gummi aufgetakelten Buchstaben und Ziffern. Doch die ganze Größe dieses Autofriedhofes wird uns erst richtig bewusst, als wir zu Fuß am ?Haupteingang? des Schrottplatzes ankommen. Da stehen auf einer Wiese schön aneinandergereiht weitere dieser wunderbaren Autoschätze - insgesamt wohl mehr als 150 Autos. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Zeit vergeht wie im Fluge . Nach vier Stunden Staunen, Fotografieren, Entdecken - heißt es wieder heimzufahren. Mit der Gewissheit, diesen Ort noch einmal zu besuchen, da wir das Gefühl haben - wir haben immer noch nicht jeder Stelle dieses unglaublichen Ortes entdeckt und bereit sind, beim nächsten Besuch, wieder etwas neues zu entdecken und zu hoffen, dass er noch lange so erhalten bleibt.
Wenn ihr euch fragt beim Besuch dieser längst vergessenen Autos, die seit mehr als 40 Jahren im Dornröschenschlaf sind, wie es dazu kommen konnte. Dann bekommt ihr hier die Kurzfassung der Geschichte, die es vermutlich an verschiedenen Orten entlang der norwegischen Grenze geben könnte - wenn auch nicht in diesem Ausmaß.
In den 60er Jahren gründete Rune Ivarsson mit seinem Bruder diesen mystischen Ort als eine Art Autowerkstatt entlang der norwegischen Grenze, um Autos verschiedener Marken auseinander zu bauen und in Teilen nach Norwegen zu importieren. Denn zu dieser Zeit gab es nur sehr wenige Autos in Privatbesitz und es war darüber hinaus verboten, Autos aus dem Ausland zu importieren. Doch ein Schlupfloch gab es? Die norwegische Gesetzgebung erlaubte, Autos zu bauen bzw. in Norwegen zusammen zu bauen. Dieses Schlupfloch nutzen einige geschäftstüchtige Personen entlang der schwedisch-norwegischen Grenze und bauten kurzerhand in Schweden die Autos auseinander, schmuggelten die Teile nach Norwegen, bauten sie dort wieder zusammen und konnten die fertigen Autos zu guten Preisen in Norwegen verkaufen. Nach dem Ausbleiben der Nachfrage und geänderten Gesetzen wurden die Orte so gelassen und sich Neuem zugewandt. Übriggebliebene sind dann solche Orte wie in Båstnäs zu sehen ist, vielleicht kleiner und vermutlich keiner in dieser Größe wie hier zu bewundern.
Mehr Bider zum verwunschenen Båstnäs findet ihr in der Schwedengalerie...
Für Oldtimer-Liebhaber, denen die lange Anfahrt nicht zu mühsam ist, kann ich nur den Besuch dieses mystischen Ortes empfehlen. Also falls ihr in Schweden zu einem Urlaub weilt, Interesse an alten Autos oder bizarren Orten habt, dann auf zum Wald der vergessenen Autos. Vielleicht trifft man sich? und damit ihr gleich hinfindet, die Wegbeschreibung im Anschluss. Solltet ihr schon dort gewesen sein, dann freue ich mich, von euren Eindrücken in den Kommentaren zu erfahren.
Wegbeschreibung:
Ihr müsst bis Ortsende Töcksfors fahren und dann gegenüber der weißen Kirche nach links abbiegen. Der gut geteerten Straße folgen, die nach ungefähr 8 Kilometern in einen Schotterweg übergeht. Der Schotterweg gleicht eher einem Waldweg mit Schlaglöchern und Unebenheiten - ungefähr 12 Kilometer. Man kann sich nicht verfahren. Die Straße geht nur geradeaus. Irgendwann, links in Fahrtrichtung, tauchen Autos im Wald auf. Augen offen halten. Am Ende der Straße trifft man auf eine Gabelung. Hier einfach eine Parkmöglichkeit suchen und auf Entdeckungsreise gehen.